Zur Hauptnavigation springen Zum Hauptinhalt springen

Pressemitteilung

Soziale Medien, öffentliche Gewalt und Terrorismus

Kommentar von Martin Blumenthal - Kreisvorsitzender der ÖDP Höxter-Lippe-Paderborn

Martin Blumenthal 1. Vorsitzender ÖDP Kreisverband HX-LIP-PB

Seit dem Messerattentat auf einem Sommerfest in Solingen, mutmaßlich durch einen Syrer, der bereits 2023 ausgewiesen werden sollte - allerdings nicht nach Syrien, sondern in das Erstaufnahmeland Bulgarien im Rahmen des Dublin-Verfahrens – brandet erneut in allen politischen und sozialen Lagern die Debatte darüber auf, wie man solche Gewalt verhindern und ihr durch einheitliche politische Maßnahmen entgegenwirken könne.

In dieser Debatte wimmelt es nur so von teils unsinnigen Vorschlägen, mit denen vor allem Politiker aller Couleur Punkte sammeln wollen.

Zuerst der unsägliche Vorschlag, jetzt das Mitführen von Messern mit mehr als 6 cm Klingenlänge zu verbieten.

Was soll das? Wer will und kann das kontrollieren? Nicht einmal Messerverbotszonen oder Vorschriften für öffentliche Veranstaltungen, bei denen das Mitführen von Messern nicht gestattet ist, können Abhilfe schaffen. Solange das nicht rigoros überprüft und geahndet werden kann, sind solche Regularien sinnlos. Ein Terrorist, der einen Anschlag gezielt vorbereitet, wird sich von solch einem Verbot nicht abschrecken lassen, weiß er doch sehr wohl, dass eine auch nur annähernd lückenlose Kontrolle nicht machbar ist.

Selbst recht systematische Kontrollen, wie sie ja bei den Eingängen in Fußballstadien durchgeführt werden, können nicht einmal dort das Einschmuggeln von Pyrotechnik oder auch anderen für Gewalttaten geeigneten Gegenständen in die Stadien verhindern.

Welchen Sinn machen dann Gesetze und Vorschriften, die immer detailliertere Vorgaben ersinnen, die dann, mangels Kontrollen – wie so oft in unserem Land – ins Leere laufen? Der einzige Nutzen mag darin bestehen, dass die Gerichte nachher eine Handhabe für eine Bestrafung haben. Aber verhindern werden sie kaum etwas in einer Gesellschaft, in der Hass-Parolen und Gewaltszenarien immer mehr zum Alltag gehören.

Wer es noch erlebt hat, weiß, dass in den 60er/70er Jahren des letzten Jahrhunderts in der populären Krimiserie „Der Kommissar“ kaum mal eine Leiche oder längere Gewaltdarstellung zu sehen war. Das hat sich heute geändert.

Geändert hat sich aber vor allem auch die drastische Ausdrucksweise in den Sozialen Medien und im Internet mit Hasskommentaren, die sich dort auch weitgehend anonym und ungeahndet ausbreiten können. Und wenn dann Politiker mehr Kontrolle dieser sozialen Medien fordern, scheitert das nicht zuletzt daran, dass dadurch Profit- und Verdienstmöglichkeiten dieser Medien abnehmen und die Eigentümer bzw. Kontrolleure dieser Medien kein Interesse daran haben, gegebenenfalls selbst sich heftiger oder verleumderischer Sprache bedienen.

In dem Maße aber, in dem Gewaltanwendung in der Breite der Medien immer wieder als alltäglich dargestellt wird, in dem gar die Anwendung von Gewalt als Mittel der Problemlösung erscheinen, kann es nicht verwundern, wenn immer mehr Menschen sich ein Beispiel daran nehmen und die Hemmschwelle sinkt.

Kommen wir aber zu einem weiteren Aspekt der aktuellen Debatte.
Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Gesellschaften für soziale Fehlentwicklungen einen Sündenbock suchen.

Dieser „Sündenbock“ sind in den Augen vieler Deutscher ganz allgemein Flüchtlinge, oder gar ganz einfach „die“ Ausländer.

Also erhebt sich zurzeit ein gewaltiger Chor von Stimmen, die schärfere Grenzkontrollen, striktes Abweisen von Flüchtlingen oder von Ausländern an den Grenzen oder gar Einreisesperren für Menschen aus bestimmten Herkunftsländern fordern oder die sich radikalere Abschiebungen wünschen, um das „Ausländerproblem“ zu lösen.

Die öffentliche Darstellung von Gewalt und zunehmende Gewaltbereitschaft ist aber keineswegs ein „Ausländerproblem“. Es kommt aus der Mitte unserer Gesellschaft.

Es wäre für ein exportorientiertes, auf internationalen Austausch angewiesenes und in internationalen Organisationen eingebundenes Land wie Deutschland verheerend, wenn es als ausländerfeindlich angesehen wird. Einmal abgesehen davon, dass Deutschland inzwischen nicht selten gerade in dieser Hinsicht in manchen Ländern keinen guten Ruf mehr genießt, schadet es massiv unserer Wirtschaft, besonders auch, weil Deutschland der Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland dringend bedarf.

Oder sehen die übereifrigen Ausweisungsexperten und Populisten eine Lösung darin, die Geltung der Menschenrechte und des internationalen Rechts, wie z.B. der Genfer Flüchtlingskonvention, massiv einzuschränken?

Jetzt werden natürlich diejenigen, die den Text bis hierhin gelesen haben, fragen: Und wie soll denn die Lösung der Probleme bitte schön aussehen?

Ehrlicherweise kann auch ich keine einfache Patentlösung anbieten. Vielmehr müsste es ein Umdenken in vielen Bereichen geben.

Beispielsweise:

- müssten sich prominente Vertreter der „veröffentlichten“ Meinung mehr davor hüten mit populistischen Phrasen und undifferenzierten Lösungsvorschlägen punkten zu wollen, sondern sich darin üben, die Verhältnisse verantwortungsvoll und differenziert darzustellen, auch wenn das vielleicht manchen Bild-Zeitungs-Anhänger überfordert und daher nicht so gut „ankommt“.

- müssten die Medien wieder mehr Zurückhaltung bei der Darstellung von Gewalt üben,

- müssten effektivere Regeln für Äußerungen in sozialen Medien gefunden und einheitlich durchgesetzt werden,

- müssten sich verantwortungsvolle Bürger mehr bewusst machen, was undifferenzierte Äußerungen für einen Schaden anrichten,

- müsste im Bereich der Bildungsinstitutionen mehr Gewicht auf die Vermittlung von friedlichen Regelungsmöglichkeiten von Konflikten gelegt werden,

- müsste auch im Bereich der Rechtsprechung und Rechtspflege mehr für die gütliche Schlichtung von Konflikten getan werden, aber auch die Gerichte und Institutionen der Rechtspflege personell besser ausgestattet werden,

Dies sind nur einige Aspekte einer möglichen Neubesinnung. Es ist nicht mein Bestreben, hier der gesellschaftlichen Kreativität Grenzen zu setzen. Wichtig allein: es muss deutlich werden, dass weder Gewalt noch Entdifferenzierung einer komplexen Realität zu Lösungen unserer gegenwärtigen Probleme führen.

– Martin Blumenthal, Vorsitzender Kreisverband ÖDP Höxter-Lippe-Paderborn

Zurück